Frauen-Kultur-Archiv

Lyrische Universen

Margot Schroeder

Kurzporträt

Die 1937 geborene Margot Schroeder stammt aus Hamburg. Die gelernte Buchhändlerin entschied sich 1975 nach dem Erfolg ihres ersten Romans „Ich stehe meine Frau“ für eine freie Schriftstellerinnen-Existenz. Sie erhielt zahlreiche Preise und Arbeitsstipendien. Seit 1987 lebt sie in NRW.

Sie gilt als eine sehr vielseitige Autorin, verfasst sowohl Lyrik und Prosa als auch Hörspiele. Ferner ist sie als Fotokünstlerin tätig und realisierte schon mehrfach Ausstellungen. In ihren literarischen Werken thematisiert sie gesellschaftskritische Themen und bricht dabei gerne mit Tabus. Die Widrigkeiten des alltäglichen Lebens werden mit Vorliebe dargestellt, was mitunter auf unterhaltsam-ironische Weise geschieht.

 

Margot Schroeder versteht es, Sprache so einzusetzen, dass besonders ihre Lyrik von einem subtilen Sprachwitz geprägt ist. Humorvolle Nonsens-Gedichte wie in ihrem Band „Nulpen – Tulpen“ (2001) und provokant pointierende Verse hören ebenfalls zu ihrem literarischen Spektrum. In den Gedichtsammlungen „Haltlose Tage“ (1993) und „Ohne Türgriff die Momente. StädteGedichte“ (2005) verzichtet sie auf die Reimstruktur. Stattdessen erzeugt sie in ihren Versen bildhafte Assoziationsketten, die aus dem (Großstadt-)Leben gegriffen sind und die Rastlosigkeit und Oberflächlichkeit der modernen Gesellschaft reflektieren. Die scheinbar zusammenhangslose Wiedergabe dieser Eindrücke wirkt geradezu surrealistisch, worin sich auch ihre Liebe zum Surrealismus in der bildenden Kunst ausdrückt.

Gedichte

 

Fußgängerzone

 

Rotier
auf einem Kleiderständer
kauf mir
ein Dampfbügeleisen
gegen Stirnfaltennot
leg mich
in den Gitarrenkasten
eines Straßensängers
lass mich treiben
über Pizzasümpfe
mach fest
an einem Laternenpfahl
hör
mein durchgedrehtes Herz
im Fleischwolf
rumpeln.

In: Margot Schroeder: Haltlose Tage. Gedichte. Düsseldorf 1993.

 

 

Sommerloch

 

Auf Parkuhr
Scheiben
juckt
Ruhe.

 

Kein Tourist
knipst
die Kultur
der Notruf
Säulen.

 

Eine Fahrkarte
in der Hand
entwerte
ich
den Affenzahn
Zeit.

In: Margot Schroeder: Haltlose Tage. Gedichte. Düsseldorf 1993.

 

 

Tagesschau

 

Manchmal
ist einsam
Sein
ein Strich
in Geschwindigkeiten
die Horizonte
verschwunden
nur meine
Handflächen
noch
aufgerauhtes
Geschrei.

In: Margot Schroeder: Haltlose Tage. Gedichte. Düsseldorf 1993.

 

 

Nächstenliebe

 

Ein Jäger hatte ganz vergessen
dass im Hochstand er gesessen.
Machte einen Schritt ins Leere
stürzte ab mit dem Gewehre.

Sein Hintern tat ihm schrecklich weh
Mitleid hatte nur ein Reh.
Begann des Jägers blaue Flecken
mit der Zunge abzuschlecken.

Der Jäger hat das sehr genossen
und das Reh nicht gleich erschossen.

In: Margot Schroeder: Nulpen – Tulpen. Nonsensgedichte. Düsseldorf 2001.

 

 

Rush Hour

 

Auf einer Wäscheleine
rast ein Freizeithemd
in Grillautomaten
summen Vögel
ferngesteuert wechseln
die Abendvorschauen
eine Birke legt
ihre Blätter aus der Hand
astrein der Verkehr.

In: Margot Schroeder: Ohne Türgriff die Momente. StädteGedichte. Düsseldorf 2005.