Frauen-Kultur-Archiv

Literarische Rätsel

Literarische Kurz-Rätsel

I.

Literarisch zu schreiben war im familiären Lebenskonzept nicht vorgesehen.

 

Eine selbständige Schriftstellerinnen-Existenz zu führen, war jenseits des Lebensentwurfs, den ihre adelige Familie in der Mitte des 19. Jahrhunderts für sie vorgesehen hatte. Sie litt unter einem labilen Gesundheitszustand und war von der Unterstützung durch die Familie abhängig. Trotz der vielen biografisch bedingter Beschränkungen ließ die Leidenschaft zum Schreiben – schon mit sieben Jahren schrieb sie ein erstes Gedicht – sie nicht los. Es gelang ihr ein vielgestaltiges Werk.

 

Die Verankerung in der heimatlichen Landschaft prägten sowohl ihre Lyrik als auch ihre Prosa. Die poetischen Naturbilder in filigraner Sprache und komplexer Symbolik begründeten posthum ihren Ruf als bedeutendste Lyrikerin ihres Jahrhunderts. Aufgrund ihrer Komplexität ist es schwierig, die Texte epochenspezifisch einzuordnen. Man kann aber festhalten, dass die Autorin zwischen Revolution und Restauration, zwischen Biedermeier und Vormärz schrieb. Mit einer ‚Kriminalgeschichte‘ behauptet sie sich noch heute im Kanon der Schullektüre. Die gesuchte Person wurde im 20. und 21. Jahrhundert auf verschiedene Arten geehrt, u.a. wurden zwei renommierte Literaturpreise in ihrem Namen gestiftet.

 

Die Lösungen zu den sechs Rätseln befinden sich auf der Seite: „Literarische Kurz-Rätsel  Lösungen“.

 

II.
Welche Goethe-Verehrerin ist gemeint?

 

Mit ihrem literarischen Schaffen rückte sie erst in den Fokus der Öffentlichkeit, nachdem ihr Ehemann, ein bekannter Literat, mit dem sie zwanzig Jahre verheiratet war, verstorben war. 1843 entstand ein sozialkritisches Buch, das aufgrund seiner Brisanz in Preußen verboten wurde. Die Autorin, die den Überzeugungen der Frühsozialisten nahestand, forderte dezidiert soziale und politische Reformen wie zum Beispiel die rechtliche Gleichstellung von Juden oder die Abschaffung der Todesstrafe.

 

Ein neues Genre schuf sie durch ihre literarisierten Briefwechsel mit ihrer Jugendfreundin, Karoline von Günderode, mit ihrem Bruder und mit dem ‚Übervater’ und imaginierten Geliebten Johann Wolfgang von Goethe, für den sie neben dem literarischen auch ein steinernes Denkmal entwarf.

 

Ihr Leben und Wirken wurden vielfach gewürdigt; so war ihr Porträt auf einem Geldschein der vorletzten deutschen Währung abgebildet und eine Radierung von Ludwig Emil Grimm, dem Bruder von Jacob und Wilhelm Grimm, bildete die Basis einer Briefmarke zu ihrem 200. Geburtstag.

 

 

III.
Eine geistig höchst unabhängige Frau wird gesucht.

 

Die Autorin, die in den dreißiger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts in Berlin geboren wurde und am Ende des 1. Weltkriegs ebendort starb, hat insbesondere für die Entwicklung der Frauen-Emanzipation große Bedeutung. Bereits als Kind war sie rebellisch und setzte sich über die eingeschränkte „Bildungserlaubnis“ hinweg, indem sie begann, alles zu lesen, was ihr möglich war.

 

1853 heiratete die gesuchte Person den Chefredakteur einer politisch-satirischen Berliner Zeitschrift. 19 Jahre später gelang ihr die erste Veröffentlichung, deren wissenschaftliche Basis sie sich selbst angeeignet hatte. Es folgten weiter ‚feministische‘ Bücher, die die absolute Gleichbehandlung von Frauen und Männern in rechtlicher, sozialer und ökonomischer Hinsicht forderten.

 

1873 verlangte sie als eine der Ersten das Frauenstimmrecht, das 1918 in Deutschland eingeführt wurde und das sie nur um ein Jahr überlebte. Nach dem Tod ihres Mannes verfasste die Person auch Novellen und Romane, bis zu ihrem Tod publizierte sie mehrere Essaybände und ca. hundert Zeitschriften- bzw. Zeitungsartikel. In ihren Schriften setzte sie sich stets mit aktuellen politischen oder literarischen Diskussionen auseinander.

 

Im Ersten Weltkrieg erhob die Autorin vehement ihre Stimme gegen den Krieg und zeigte sich als kompromisslose Pazifistin. Die Mitbegründerin und Mitglied von Vereinen, die der radikalen Frauenbewegung zuzurechnen waren, starb 1919 in ihrer Heimatstadt Berlin.

 

 

IV.
Einstieg als Erfolgsautorin mit einem Skandal

 

Die Schriftstellerin, die dem Naturalismus zugeordnet werden kann, lebte einen Großteil ihres Lebens in der deutschen Hauptstadt Berlin, zusammen mit ihrem jüdischen Ehemann, einem erfolgreichen Verleger, und dem gemeinsamen Sohn.

 

Der 1. große Erfolgsroman der Autorin sorgte in der katholisch geprägten Eifel für einen Skandal, da sich ihre Bewohner durch ihre Darstellung verhöhnt und bloßgestellt fühlten. Es ist allerdings eine Legende, dass das Buch auf den „Index Librorum Prohibitorum“, dem „Verzeichnis der verbotenen Bücher“, gesetzt wurde.

 

Aufgrund der häufig dargestellten Eifellandschaft in ihren Erzählungen und Romanen wurde die gebürtige Trierin gerne als „Eifeldichterin“ bezeichnet, obwohl viele ihrer Romane in Berlin spielen und die sozialen Probleme der Großstadt beschreiben.

 

Die Stadt Düsseldorf ehrte die gesuchte Person zu ihrem 70. Geburtstag mit der Benennung einer Straße. Die Verbundenheit zwischen der Schriftstellerin und der Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens wird auch durch ein weiteres Ereignis deutlich: Ihrem eigenen Wunsch zufolge wurde sie nach ihrem Tod im Jahre 1952 im Ehrengrab ihres Vaters auf einem Düsseldorfer Friedhof bestattet.

 

 

V.
Wer war ein literarischer Jungstar und eine seriöse Exilautorin, die erst 30 Jahren später wiederentdeckt wurde?

 

Die mediale Selbstinszenierung beherrschte sie in einer Zeit, als dies für Frauen noch völlig untypisch war. Für ihren ersten Roman gab sie sich 1931 als 21jährige Jungautorin aus, obwohl sie bereits 26 Jahre alt war. Lebenslang hielt sie an dieser biografischen Korrektur um fünf Jahre fest. Der Erfolg ihrer Großstadt-Romane von 1931 und 1932 übertraf alle Erwartungen; ihre monatlichen Honorare waren exorbitant. Aber ein Jahr später war alles schlagartig vorbei, als beide Romane von den Nazis als „Asphaltliteratur mit antideutscher Tendenz“ denunziert auf die Verbotslisten gesetzt wurden. Sie konnte nur noch für die Schublade schreiben, entschied sich aber erst Anfang 1936 zur Emigration. Im Exil schrieb sie u.a. einen ausgezeichneten satirischen Roman über die sozialpsychologischen Hintergründe des Mitläufertums im NS-Staat.

 

Wie viele Exilautorinnen und -autoren konnte sie in der Nachkriegszeit in Deutschland nicht wieder richtig Fuß fassen. Ihr zeitkritisch-satirisches Schreiben passte nicht in das restaurative Klima.

 

Erst 1977 wurde die fast völlig vergessene Autorin von Jürgen Serke in seiner Dokumentation „Die verbrannten Dichter“ wiederentdeckt und ihre vor 1933 und im Exil geschriebenen Romane erlebten eine Renaissance.

 

 

VI.
„Zur Heimat erkor ich mir die Liebe“

– schrieb die gesuchte Autorin, die ursprünglich aus Polen stammt und deren Gedichte durch die Verschränkung von Melancholie, Ironie, Humor und politischem Scharfsinn einen großen Wiedererkennungswert erlangten. Anfang der dreißiger Jahre waren ihre lyrischen Texte in jeder renommierten Tageszeitung und Kulturzeitschrift Berlins zu finden, von der „Vossischen Zeitung“ bis zur „Weltbühne“. Der erste Gedichtband wurde 1933 ein Medienereignis und als Großstadtlyrik von Autoren wie Hermann Hesse, Thomas Mann und Alfred Polgar geschätzt; die Nähe zu Heinrich Heine war unverkennbar.

 

Zwei Monate vor der Reichspogromnacht emigrierte sie mit ihrem zweiten Ehemann und dem gemeinsamen Sohn nach Amerika. Da der berufliche Erfolg des Ehemannes als Komponist ausblieb, sicherte die Schriftstellerin mit Übersetzungen und Werbetexten ein karges Überleben. Nur selten gelang es ihr, in Amerika ihre Exil-Gedichte zu publizieren.

 

1960 wanderte die Autorin mit Ehemann und Sohn nach Jerusalem aus; die sprachliche und soziale Isolation in Israel konnte sie jedoch nicht überwinden. Als ihr im gleichen Jahr in Deutschland der Fontanepreis verliehen werden sollte, lehnte sie den Preis ab, da ein Juror im 3. Reich der SS angehört hatte.

 

Auf ihren späteren Lesereisen in der „verlorenen Heimat“ war die Faszination ihrer Lyrik für ihre Zuhörer ungebrochen. Der Rowohlt Verlag legte ihre frühen Gedichtbände erfolgreich neu auf. 1975 starb sie im Alter von 68 Jahren in Zürich.

 

Die Rätsel verfasste: Ariane Neuhaus-Koch