Frauen-Kultur-Archiv

Europäerinnen des Geistes und der Tat

Bertha von Suttner: 1. europäische Friedens-Aktivistin und -Nobelpreisträgerin

Frühe Entwicklungsphasen

Am 9. Juni 1843 als Tochter des Grafen und der Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau in Prag geboren. Der dem böhmischen Hochadel angehörende 76jährige Vater stirbt vor der Geburt der Tochter. In Brünn (Südmähren) verbringt sie die Kindheit, die Jugend in Wien und Klosterneuburg bei Wien. Die Familie verarmt, u.a. durch die Glücksspiele der Mutter in Spielbanken. Während die Schlacht von Magenta und Solferino tobt und 1866 Österreich die Niederlage in der Schlacht bei Königgrätz erlebt, ist Bertha von Kinskys Interesse absorbiert von den Versuchen, eine gute Partie zu machen, aber alle Heiratsoptionen scheitern

 

1873 wird sie mit 30 Jahren, da das Kinsky-Vermögen aufgebraucht ist, Erzieherin der Töchter des Freiherrn von Suttner, mit wechselndem Wohnsitz in Wien und auf Schloss Harmannsdorf. Es entwickelt sich eine Beziehung zum sieben Jahre jüngeren Sohn Arthur Gundaccar von Suttner. Nach der Kündigung durch die Suttners, die die Verbindung Arthurs mit Bertha nicht akzeptieren, bewirbt sie sich 1876 um eine Stellung als sprachkundige Sekretärin bei dem Multimillionär Alfred Nobel in Paris. Neben Italienisch und Englisch beherrscht sie fließend Französisch. Nobel will sie engagieren, doch sie nimmt das Angebot nicht an, kehrt zurück nach Wien, da Arthur Gundaccar von Suttner sie eindringlich um Rückkehr bat.

 

Am 12. Juni 1876 erfolgt die heimliche Heirat mit Freiherr Arthur Gundaccar von Suttner in Wien-Gumpendorf. Das Ehepaar von Suttner entzieht sich der Missachtung durch den Suttner-Klan, indem es sich bei Freunden im Kaukasus niederlässt. Neun Jahre lang leben sie in eingeschränkten Lebensverhältnissen. Freiherr von Suttner arbeitet als Journalist, zunächst 1877 mit Berichten vom russisch-türkischen Krieg. Sie trägt durch Musik- und Sprachunterricht zum Lebensunterhalt bei und durch Feuilletonartikel. Es gelingt ihr, literarische Texte in Zeitschriften zu publizieren, so erscheint „Hanna“ beispielsweise als Fortsetzungsroman 1882 im sehr nachgefragten „Illustrierten Familienblatt“ „Die Gartenlaube“. Frühe Romane wie „Inventarium einer Seele“ (1883) kommen auch in Buchform heraus.

 

Im Mai 1885 kehrt das Ehepaar Suttner nach Österreich auf das Schloß Harmannsdorf zurück. Beide nehmen am Kongress des Schriftstellerverbandes in Berlin teil. Im Winter 1886/87 findet während ihres Paris-Aufenthalts ein Wiedersehen mit Alfred Nobel statt, aus dem sich eine Freundschaft entwickelt.

 

1888: „Das Maschinenzeitalter. Zukunftsvorlesungen über unsere Zeit“

Ihre philosophische Schrift gegen den Nationalismus, „Das Maschinenzeitalter“, erscheint bewusst anonym, da ihr die „Vorurteile gegen die Denkfähigkeit der Frauen“ zu groß erscheinen und dadurch das Buch „von solchen einfach ungelesen geblieben wäre, für die es eigentlich bestimmt war.“ Es ist eine vom Fortschrittsglauben getragene Analyse der „Moderne“, die die Menschheit in eine bessere und menschlichere Welt führen könnte. Bertha von Suttner hatte die Evolutionstheorien von Charles Darwin und Thomas H. Buckle rezipiert. Nach ihrem Verständnis stellt der Krieg das entscheidende Hemmnis für die Höherentwicklung des Menschen dar: „In einer Gesellschaft, in der das Vorrecht des Stärkeren so radikal ausgerottet wäre, daß in derselben die Gleichstellung der Frau erreicht worden wäre, würde überhaupt nicht mehr Krieg geführt“.

 

Bezüglich künftiger Kriege entwirft sie ein durch die fortschreitende Technik ins Unerträgliche gesteigertes Schreckensszenarium: „Alle Staaten zerstampft, alle Arbeit eingestellt, alle häuslichen Herde umgeworfen, nur e i n Schrei des Schmerzes von Grenze zu Grenze- Jedes Dorf eine Brandstätte, jede Stadt ein Trümmerhaufen, jedes Feld ein Leichenfeld, und noch immer tobt der Kampf: unter den Meereswellen schießen die Torpedoboote, um mächtige Dampfer in den Grund zu ziehen; in die Wolken steigen bewaffnete und bemannte Luftschiffe einer zweiten äronautischen Truppe entgegen, und aus tausend Meter Höhe schneien verstümmelte Krieger als blutende Flocken herab (…) Pulvermagazine fliegen in die Luft, lange Waggonzüge entgleisen, Lazarette brennen lichterloh.“Zu den von ihr dargebotenen positiven „Zukunftsausblicken“ gehört ein Bericht über die „International Peace and Arbitration Association“ in London, die an Stelle von Waffengewalt ein internationales Schiedsgericht für politische Streitfälle fordert.

 

Ein europäischer Erfolgsroman: „Die Waffen nieder!“

Der Antikriegs-Roman „Die Waffen nieder! Eine Lebensgeschichte“ erscheint 1889 in einer Zeit des expandierenden Nationalismus. Er wird zu einem großen Verkaufserfolg und begründet ihren Ruhm europaweit. Ihre Schreibmotivation beschreibt sie wie folgt: „Ich hatte das Buch geschrieben, um der Friedensbewegung, von deren beginnender Organisation ich erfahren hatte, einen Dienst zu leisten in meiner Art“. Der Roman stellt die Aufarbeitung einer kriegerischen Epoche dar. Im Mittelpunkt steht das Schicksal einer Frau, der Baronin Martha von Tilling, die in den Kriegen von 1859, 1864, 1866 und 1870/71 zwei Ehemänner und ihren Sohn verliert. Die Kriegshelden werden zur Revidierung ihrer bisherigen Werte geführt: „Ich habe es zu spät erkannt, daß der Schlachteneifer nichts Übermenschliches, sondern – Untermenschliches ist; keine mystische Offenbarung sondern eine Reminiszenz aus dem Reich der Tierheit – ein Wiedererwachen der Bestialität.“

 

Suttners Ziel war es, die Menschenverachtung des Militärs und der Politik zu entlarven. Die an Zola angelehnte Realistik und Direktheit, mit der Kriegsgemetzel, Massengräber und Verwundete in Lazaretten beschrieben werden, schockierte und ergriff das Lesepublikum ihrer Zeit. Leo Tolstoi erkennt die Tragweite dieses Romans: „Ich schätze Ihr Werk sehr und denke, daß die Publikation Ihres Romans ein glückliches Vorzeichen ist. Die Abschaffung der Sklaverei wurde durch das berühmte Buch einer Frau, Mme. Beecher-Stowe, vorbereitet; Gott gebe es, daß die Abschaffung des Krieges durch das Ihre bewirkt wird!“ (Brief an Bertha von Suttner vom 22. Oktober 1891)

 

Zunächst war Suttners deutscher Verleger Pierson sehr zögerlich, den Roman zu veröffentlichen. Auch der Titel erschien ihm mit seinem Imperativ zu provokant. Das Buch wurde dennoch ein Bestseller in Deutschland. 1905 lag die 37. Auflage vor. Es gab billige Volksausgaben mit einer Auflagenhöhe von je sechszigtausend und Nachdrucke durch weitere Verlage.

 

Der Roman wurde in konservativ-rechten Kreisen durchaus kritisch aufgenommen, von „rührseliger Albernheit“ war abwertend die Rede. Doch die positive Rezension des liberalen Politikers und Philosophen Ritter von Carneri in der „Neuen Freien Presse“ in Wien bedeutete den europäischen Durchbruch für den Roman:Niemals ist dem Militarismus in so drastischer Weise dargetan worden, wieviel Elend er um sich verbreitet und wie schön das von ihm mißachtete Leben sein kann. (..) Die Abrüstung wäre der Anbruch einer besseren Zeit. Die das erkennen, zählen heute schon nach Millionen (…) Heil dem Fürsten, der im richtigen Augenblicke sich ein Herz faßt und die weiße Fahne ergreift! Je ritterlicher er ist, desto leichter wird er es wagen, wenn ein edles Weib sie ihm entgegenbringt.“ (Bartholomäus von Carneri, 15. März 1890)

 

Die erste Übersetzung des Romans erfolgte 1891 in Norwegen, dann folgten Übertragungen in fast alle europäische Sprachen. Das Buch wurde auch ein europäischer Verkaufserfolg und schließlich ein Welterfolg, ein Millionenseller. Er gilt in der Forschung als wichtigster Antikriegsroman vor „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque. Der Roman gab der europäischen Friedensbewegung den entscheidenden Impuls.

 

Konkretes Handeln zur Förderung der Friedens-Idee

Bertha von Suttners literarischer Pazifismus ging 1891 mit der Gründung der österreichischen „Gesellschaft der Friedensfreunde“ über in einen politisch-aktiven. Sie gewann viele prominente Mitstreiter, u.a. den für die europäische Beachtung des Romans „Die Waffen nieder!“ wichtigen Ritter von Carneri. Als Präsidentin der Friedensgesellschaft nahm sie am 3. Internationalen Friedenskongress in Rom teil und hielt ihre erste öffentliche Rede. Es folgt die Gründung des Zentralbüros der Friedensgesellschaften in Bern, dessen Vizepräsidentin sie wird.

 

Sie fungierte wegen ihrer Prominenz seit 1892 als Herausgeberin der von Alfred Hermann Fried initiierten Zeitschrift „Die Waffen nieder! Monatsschrift zur Förderung der Friedens-Idee.“ Der aus Wien stammende Buchhändler, Journalist  und in Berlin wirkende Verleger Alfred Hermann Fried, war ein engagierter Pazifist. Bertha von Suttner, die regelmäßig Beiträge für das Organ der Friedensbewegung beisteuerte, warb viele Prominente als Mitarbeiter, so etwa Leo Tolstoi, Peter Rosegger oder Paul Heyse. Sie schätzte die Bedeutung und den europäischen Erfolg der Zeitschrift hoch ein: „Wird in der ganzen europäischen Presse besprochen – in Paris sogar Stücke daraus übersetzt (…) Die Friedensgesellschaften alle sind mir ungeheuer dankbar für das Inslebentreten des Blattes – bekam aus Italien, Belgien, Frankfurt etc. etc. Dank- und Jubelbriefe: endlich das Langgewünschte!“ (Brief vom 1.11.1892)

 

Bertha von Suttner als Objekt des Spottes und der Schmähung

Ihr wurde nicht nur Begeisterung und Verehrung entgegengebracht, ihr Friedensengagement und ihre Person waren auch ein beliebtes Sujet der Karikaturisten. Sie empfand dies in den frühen Jahren des Friedensengagements als durchaus popularitätsfördernd: „Die letzten Witzblätter haben mich wieder tüchtig hergenommen – aber das macht mir nur Spaß und nützt der Popularität der Sache, nicht wahr? Das gefährliche Stadium – das Totschweigestadium – hat die Friedensbewegung schon hinter sich.“ (Brief Suttners an B. von Carneri, 6. Januar 1892) In Schmähbriefen wurde sie jedoch nicht nur als „Friedensbertha“ sondern auch als „Judenbertha“ tituliert, da sie sich aktiv gegen den Antisemitismus einsetzte. Ihr Ehemann hatte den „Verein zur Abwehr des Antisemitismus“ gegründet und sie unterstützte ihn in dieser Aktivität.

 

Konzeption eines europäischen Staatenbundes und eines Welt-Völkerkongresses

Während der 4. Weltfriedenskonferenz 1892 in Bern arbeitete Bertha von Suttner intensiv an der Konzeption des Friedens-Antrags mit. Das Ergebnis war der Capper-Moneta-Suttner-Antrag, der zur Sicherung des fragilen Friedens beitragen wollte. Dieser Antrag gilt aus heutiger Sicht als die ‚weitreichendste Friedensutopie‘ vor der Errichtung des Völkerbundes im Jahr 1920. Es wird darin ausgeführt, dass ein „Zustand der Rechtlosigkeit“, verursacht durch einen Krieg in Europa, nur durch einen „europäischen Staatenbund“ aufgehoben werden könne, so dass „dauernde Rechtsverhältnisse in Europa“ geschaffen werden könnten. Ein europäischer Staatenbund solle die „die Unabhängigkeit der einzelnen Nationen hinsichtlich ihrer inneren Angelegenheiten“ durchaus bewahren. Die Basis für den Zusammenschluss soll die „Solidarität ihrer Interessen“ bilden. Als Großstruktur, die den Frieden über Europa hinaus bewahren und sichern könne, wird die Einrichtung eines „dauernden Völkerkongresses“ angeregt, der schiedsgerichtlich internationale Konflikte beilegen sollte. (Zitate aus dem Antrag, abgedruckt in: Der Friedensnobelpreis von 1905 bis 1916, hrsg. von Michael Neumann. Zürich 1988, S. 68f.)

 

Zwei Gleichgesinnte: Bertha von Suttner und Alfred Nobel

Als europaweit bekannte und geschätzte Friedensaktivistin trifft sie Alfred Nobel in der Friedenskonferenz 1892 in Bern. Dort kann er sie als geschickt erfolgreich agierende Lobbyistin für den Frieden beobachten. Im gleichen Jahr sehen sie sich in Zürich wieder. Man tauscht sich brieflich über das gemeinsame Ziel aus, wie der Frieden dauerhaft zu sichern sei.

Am 7. Januar 1893 entwickelt Nobel gegenüber der „lieben Freundin“ den Plan, einen Preis zu stiften für „denjenigen oder diejenige, der/die am meisten für die Befriedung Europas getan hat.“ Aus dem Brief wird deutlich, dass er sich auch eine Frau als Preisträgerin vorstellen konnte, was damals äußert fortschrittlich war. Am 27. November 1895 verfasste Alfred Nobel sein Testament, in dem er sein persönliches Vermögen in eine Stiftung verwandelt, mit der neben dem Preis für Friedensengagement, auch Preise für Verdienste in Wissenschaft und Literatur finanziert werden sollten. Das Testament eröffnete ebenfalls explizit die Möglichkeit, dass eine Frau als Friedenspreisträgerin fungieren konnte. Dass er damit an Bertha von Suttner gedacht hatte, ist historisch belegt. Im Testament heißt es, der Preis sei bestimmt: „für denjenigen oder diejenige, welcher oder welche am meisten oder besten für die Verbrüderung der Völker, für die Abschaffung oder Verminderung der stehenden Heere sowie für die Bildung und Verbreitung von Friedenskongressen gewirkt hat.“

In seinem letzten Brief vom 21. November 1896 an Bertha von Suttner, kurz vor seinem Tod am 10. Dezember, betont Alfred Nobel Suttners bedeutende Rolle in der Friedensbewegung: „Ich bin entzückt zu sehen, daß die Friedensbewegung an Boden gewinnt, dank der Bildung der Massen und dank besonders der Kämpfer gegen Vorurteil und Finsternis, unter denen Sie einen hohen Rang einnehmen. Das sind Ihre Adelstitel.“

 

Tagungs- u. Kongressteilnahmen und Vortragsreisen ohne Unterlass

Als einzige Frau und Nichtregierungsvertreterin nahm Bertha von Suttner vom 18. Mai bis 29. Juni 1899 an der 1. Haager Friedenskonferenz teil, die Zar Nikolaus II initiiert hatte. Sie berichtet in „Die Haager Friedenskonferenz. Tagebuchblätter von Bertha von Suttner“ (1900) sehr anschaulich über Kommissionssitzungen und Begegnungen während der 1. Haager Friedenskonferenz. Suttners Position als öffentliche Person der Friedensbewegung wird darin deutlich. Als Delegierte wurde sie überhäuft mit Briefen, die Vorschläge zur Friedenssicherung enthielten. Zu den konkreten Ergebnissen der Konferenz gehörten: das Verbot von Dumdum-Geschossen und Kampfgasen und die Konvention zur friedlichen Schlichtung internationaler Konflikte durch ein Schiedsgericht, das „Haager Tribunal“. Im Anschluss unternahm sie eine Vortragsreise nach Norwegen, wo sie viel öffentliche Aufmerksamkeit erzielte.

Es folgten weitere Jahre des unermüdlichen Einsatzes für den Pazifismus durch die Teilnahme an internationalen Kongressen, wie im April 1902 am Internationalen Friedenskongress in Monaco oder 1904 am Weltfriedenskongress in Boston, die für sie als Höhepunkt einen Empfang beim amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt hatte. Es schloss sich eine Vortragsreise durch mehrere amerikanische Städte an. Vom 10. Oktober bis 17. Dezember 1905 absolvierte sie erfolgreich eine Vortragsreise durch Deutschland. Auf dieser erhielt sie die Nachricht, dass ihr der Friedens-Nobelpreis zugesprochen wird.

 

Friedens-Nobelpreis, 1905 zuerkannt, 1906 verliehen

Eine lange Phase der Enttäuschung war damit vorbei, da es bereits seit 1901 die fünfte Preisverleihung war und Suttner und viele ihrer Verehrer eine viel frühere Zuerkennung erwartet hatten. Im April 1906 reiste sie zur Verleihung des Friedens-Nobelpreises nach Oslo. Am 18. April hielt sie ihre Nobelpreisrede, in der sie auf „ewige“, aber auf bisher nicht verwirklichte „Wahrheiten“ und „Rechte“ rekurriert: „Eine jener Wahrheiten ist die, daß Frieden die Grundlage und das Endziel des Glücks ist, und eines jener Rechte ist das Recht auf das eigene Leben. Der stärkste aller Triebe, der Selbsterhaltungstrieb, ist gleichsam eine Legitimation dieses Rechtes, und seine Anerkennung ist durch ein uraltes Gebot geheiligt, welches heißt: ‚Du sollst nicht töten‘“. Die entscheidende Kernfrage für eine positive Weiterentwicklung der Menschheit sieht für sie wie folgt aus: „Von allen Kämpfen und Fragen, die unsere so bewegte Zeit erfüllen, ist die Frage, ob Gewaltzustand oder Rechtszustand zwischen den Staaten, wohl die wichtigste und folgenschwerste.“ In ihrem am Ende der Rede formulierten Ziel schließt sich Bertha von Suttner der Forderung Th. Roosevelts an, „Die Zeit herbeizuführen, wo der Schiedsrichter zwischen den Völkern nicht mehr das Schwert sein wird.“ (zitiert aus der Rede, abgedruckt in: Der Friedensnobelpreis von 1905 bis 1916, hrsg. von Michael Neumann. Zürich 1988, S. 199, 201)

 

„Der Menschheit Hochgedanken“ – ein atomares Schreckensszenarium als Warnung

In diesem Tendenzroman von 1911, der künstlerisch nicht wirklich überzeugt, wird zum ersten Mal in der Literatur die Schreckensvision des Einsatzes von atomaren Waffen entworfen. Das im Radium liegende Vernichtungspotential könnte in kriegerischen Auseinandersetzungen eingesetzt werden und würde die totale Auslöschung bedeuten: „Damit ist eine Machtfülle in unsere Hand gegeben, für die uns noch das Fassungsvermögen fehlt. Ein Kraftquantum ist uns zur Verfügung gestellt, das alle Arbeitswirkung verhundertfachen, vertausendfachen, verhunderttausendfachen kann. (…) Der Radiumkondensator ist erfunden. Mit von Wolkenhöhen herabgesandten Radiumstrahlenbündeln in ein paar Minuten feindliche Flotten und Heere zu vernichten, feindliche Städte zu zertrümmern, ist Kinderspiel. Gegenseitig. Achtundvierzig Stunden nach der sogenannten „Eröffnung der Feindseligkeiten“ könnten beide kriegsführende Parteien einander besiegen und im feindlichen Lande kein Gebäude und kein Lebewesen zurückgelassen haben.“ (Ausgabe von 1911, S. 395) Diese Dystopie wurde von vielen Zeitgenossen belächelt, heute wissen wir, wie realistisch sie war.

Vor einer weiteren Dehumanisierung der Kriegsführung warnte sie 1912 mit der Broschüre „Die Barbarisierung der Luft“, wo sie die grauenhaften Folgen der Bewaffnung von Luftfahrzeugen als zwingende Folge der fortschreitenden Militarisierung darstellte.

 

Die letzten Jahre

Eine zweite, sechsmonatige Vortragsreise durch die Vereinigten Staaten absolviert sie im Jahr 1912. Über sie und ihre Friedens-Aktivitäten berichtete das Dezemberheft der renommierten amerikanischen Frauenzeitung, „The Women’s International Review“. Es folgten weitere Vorträge in Prag, Dresden, Berlin, Breslau, Den Haag und Paris. Sie nahm die vielen Vortrags-Einladungen an, weil sie dadurch neben den Buchtantiemen ihren Lebensunterhalt finanzierte.
In ihrem 70. Lebensjahr erhält sie schließlich aus der Carnegie-Stiftung eine monatliche Pension. An den Vorbereitungen zum Weltfriedenskongress in Wien, der im September stattfinden sollte, war sie trotz der Schwächung durch ein Krebsleiden im Frühjahr 1914 beteiligt. Sie gehörte zu den wenigen, für die die Kriegsgefahr aktuell real war: „Nichts als gegenseitige Verdächtigungen, Beschuldigungen und Verhetzungen.“ Am 21. Juni stirbt Bertha von Suttner in Wien. Das Erleben des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs blieb ihr erspart. Der Film zum Roman „Die Waffen nieder!“ wurde am 17. September 1914 beim Weltfriedenskongress in Wien uraufgeführt.

 

Ihre Ruhestätte fand sie, wie sie es testamentarisch verfügt hatte, im „Kolumbarium“ des Gothaer Hauptfriedhofs, einem Urnenhain für bedeutende Persönlichkeiten der Zeit.